80-Bus Journal

  

Mai 1983 · Ausgabe 5

Nascom Praxis

Was der Nascom alles kann

Teil 2 von Günter Kreidl

Als ich mir vor nunmehr 3 Jahren einen Nascom-1 zulegte, wollte ich zunächst einmal die Computerei von der Pieke auf erlernen. Gleichzeitig hatte ich aber auch immer praktische Anwendungen im Auge. Zu meinen beruflichen Aufgaben in unserer Firma (Naturkost-Großhandelsgenossenschaft) gehörte von Anfang an die gesamte Fakturierung, Wareneingangs- und Bestandskontrolle. Anfangs wurden alle Rechnungen von Hand geschrieben und auch die monatlichen Inventurbewertungen wurden „zu Fuß“ erledigt. (In der Anfangsphase erwiesen sich monatliche Inventuren als notwendig.) Was lag also näher, als meinen Nascom für diese Aufgaben einzusetzen? Meine erste selbstgestrickte Erweiterung war eine 8K statische Ram-Karte, bestückt mit 4K. Konnte man damit wirklich etwas anfangen? Es ging tatsächlich! Ein erstes Programm war eine „elektronische Preisliste“. Das Programm konnte mehr als 800 Artikel verwalten. Der Zugriff erfolgte über einen 3-Zeichen-Code (Ein Buchstabe und eine zweistellige Hexzahl) und die Eingabe der gewünschten Anzahl. Angezeigt wurden Einzelpreis, Gesamtpreis und Mehrwertsteuerklasse. Die Gesamtpreise wurden – getrennt nach MWSt-Klasse – aufaddiert. Die Rechnungen schrieb ich immer noch selbst, doch die Rechnerei und das Raussuchen der Preise übernahm der Computer. Auch die monatliche Inventurbewertung konnte das Programm bewältigen – wir schafften sie damit in einem Tag statt vorher in dreien. Das Programm hatte ich übrigens im Hexcode geschrieben – einen Assembler besaß ich damals noch nicht. (Auch heute schreibe ich kleinere Programme immer noch direkt im Maschinencode, den Zaks in der linken.)

Die nächsten Erweiterungen lagen nahe. Da wir sowieso eine elektrische Schreibmaschine brauchten, wurde ein „Hofer-Aufsatz“ drübergestülpt und nun konnte der Nascom auch drucken Außerdem wurde die Speicherplatine mit weiteren 4K bestückt. Das Programm wurde nun erweitert. Es enthielt außer der Preisliste nun auch eine Bestandsliste. Es mußten nun natürlich auch die Wareneingänge mit dem Computer bearbeitet werden (dabei wurden dann auch gleich die Lieferantenrechnungen überprüft und da taten sich Abgründe auf!). Alle eingehenden Waren wurden auf den Bestand aufaddiert und beim Rechnungenschreiben wurden die entsprechenden Artikel wieder rausgebucht. Damit wurden die monatlichen Inventuren überflüssig, denn der Computer konnte ja jetzt den Warenbestand (bis auf die Verluste) am Monatsende ausdrucken. Gleichzeitig konnten wir erstmals die Warenverluste ermitteln: Alle drei Monate wird nun noch im Lager der Warenbestand gezählt und mit dem im Computer gespeicherten Sollbestand verglichen. Es brauchen nur noch die Differenzen eingegeben zu werden. Das Programm konnte darüber hinaus auch ständig die aktuelle Preisliste ausdrucken und eine Umsatzaufschlüsselung der wichtigsten Zulieferer vornehmen. Auch das Rechnungen-Schreiben erfolgte jetzt „halbautomatisch“. Anschrift und Warentext mußten natürlich noch von Hand geschrieben werden; dabei war die Computertastatur direkt auf die Schreibmaschine durchgeschaltet. Mit „ESC“ konnte man zwischen dem „Schreibmaschinenmodus“ und dem „Rechnermodus“ hin und her springen. Den (formatierten) Ausdruck von Einzelpreis, Gesamtpreis und MWSt, alle Berechnungen wie Kostenaufschlag (eine Besonderheit unserer Firma: wir kalkulieren offen mit unseren Einstandspreise und einem Aufschlag auf die ganze Rechnung), MWSt usw. übernahm der Computer. Und das alles mit 8K RAM? Nun ja, nicht ganz: das Programm bestand nun aus 2 Teilen, dem eigentlichen Fakturierprogramm und dem Inventurprogramm, die je nach Bedarf getrennt geladen wurden. Aber davon abgesehen paßten Programm und Daten (für mehr als 800 Artikel) in den Speicher.

Heute hat natürlich auch mein Nascom 64K RAM, der Hofer Drucker wurde durch eine Typenradschreibmaschine ersetzt und auch das Fakturierprogramm habe ich sehr komfortabel neu geschrieben (teils in Pascal, teils in Assembler). Auch der Warentext wird heute vom Computer gespeichert und ausgedruckt, das Rechnungen-Schreiben ist eine reine „Knöpfchendrückerei“, ich bin eigentlich weitgehend Zuschauer, während der Computer arbeitet. Natürlich sind mit dem neuen Programm viele zusätzliche Dinge möglich, die aufzuzählen hier zu weit führen würde, aber stolz bin ich eigentlich viel mehr auf unsere alte „8K-RAM-Fakturierung“ mit einem Cassettenrekorder als Massenspeicher, mit der wir in zwei Jahren viele

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